Ortsbürgermeisterin: Christina Bleisinger
Am Graben 5, 55618 Simmertal
Homepage: www.gemeinde-simmertal.de
Die Geschichte
Simmern unter Dhaun
Der Ortsname wird - ebenso wie Kirn und Rhaunen - schon 841
in einer Urkunde über Einzelbesitzungen des alten Reichsklosters Fulda als
"Simera" erwähnt.
Der keltische Ursprung dieses Namens sowie römische
Grabfunde bezeugen eine sehr alte Siedlungsgeschichte der Simmerner Gemarkung.
Seit dem Jahre 912 war diese Grundherrschaft im Besitz der
Reichsabtei St. Maximin vor Trier, die diesen Erwerb durch König Karl III. von
Westfranken im gleichen Jahr bestätigt bekam. Von nun ab kommt Simera (Symera)
in den Königs- und Papsturkunden als grundherrlicher Besitz für St. Maximin
regelmäßig vor. (Fabr. VI, S. 333)
Die Herrschaftsform des Mittelalters war die
Grundherrschaft. Sie war geprägt durch die sog.
"Villikationsverfassung". Große Grundbesitzer (Könige,
Klöster, Adel) hatten weit zerstreuten Besitz, den sie über Herrenhöfe
(Salhöfe) verwalten ließen.
Typisch war die Gliederung in Herren- oder Salland und
abhängige Bauernstellen (mansi, hobae), die Abgaben und Dienste dem Grundherren
schuldeten, also mit dem Wirtschaftsbetrieb des Herrenhofes eng verbunden
waren.
Alle vom Fronhof abhängigen Personen waren die sog.
"Familia". Es war ein sog. Personenverband, der rechtlich eng an den
Grundherrn gebunden war. Im Verlauf des Hoch- und Spätmittelalters verlor die
Grundherrschaft als Herrschaftsform zunehmend an Bedeutung, so dass auch die
Verfügungsgewalt des Grundherrn über die Leute seiner Grundherrschaft verloren
ging.
Während in der Merowingerzeit das Herrenland gewöhnlich im
Gesamtbereich einer Villa überwogen hatte, umfasste ab dem 9.Jh. das Salland in
der Regel eine geringere Fläche als das Hufenland. Die Grundherren statteten
zunehmend eine größere Zahl von Unfreien mit Bauernstellen aus.
Die Hufe, die als Fallehen bzw. in Zeitpacht dem Hörigen
vergeben wurde, war urspr. keine feste Bemessungseinheit, sondern bezeichnete
den Bauernhof mit dem zugehörigen Land, das zum Unterhalt einer Familie
notwendig war.
Die Größe der Hufe variierte aufgrund von Erbteilungen,
regionalen Bedingungen etc. zwischen 5 ha und 30 ha. Eine karolingische
Bauernstelle betrug ca 10-15 ha. Ein Dorf des 9. Jh.s umfasste selten mehr als
30 Hufe (Mansen), also 30 Bauernstellen, was einer Bevölkerung von 150-200
Seelen entsprechen dürfte. Ein Dorf mit 10-20 Häusern stellte im Mittelalter
bereits eine große Siedlung dar.
Die Höfe der abhängigen Leute (Hübner, Grundholde) lagen
meist in der Ortsmark, manchmal aber auch weiter gestreut in Nachbarorten.
Innerhalb des Bezirks der maximinischen Banngrundherrschaft "Simeren"
lagen noch einige später ausgegangene Siedlungen (z.B. Rechelnhusen, Horbach
und Weitersborn unter dem Zoll, Niederau) und die jetzt mit eigenen Gemarkungen
ausgestatteten Dörfer Brauweiler, Horbach und Martinstein. Insgesamt wies die
Großgemarkung von Simmern unter Dhaun sieben Wüstungen (= untergegangene
Siedlungen) auf.
Bei den abgaben- und dienstpflichtigen Hübnern wurde
unterschieden in freie, halbfreie und unfreie Bauernstellen. Der
Hauptunterschied bestand in der Bemessung der Dienste am Herrenhof.
Die freien Bauern
(Häusler, Spannler)
leisteten hohe Abgaben und den Fuhrdienst.
Die halbfreien Bauern
entrichteten geringere Abgaben, mussten jedoch bei Aussaat
und Ernte auf dem Herrenland arbeiten.
Die unfreien Bauern
leisteten nur geringe Abgaben, mussten jedoch 3x wöchentlich
auf dem Herrengut fronen.
An Abgaben entrichteten alle Hübner den "Zehnten"
sowie die sog. Bede, eine Grundstückssteuer. An Dienstleistungen wurden Hand-
und Spanndienste verrichtet, je nach sozialem Status.
Ursprünglich war die Hörigen-Hufe kleiner als die freie
Hufe, da wegen der Fronpflicht zu wenig Zeit für die Bebauung des eigenen
Landes blieb. Im Spätmittelalter verlor jedoch die Grundherrschaft an
Bedeutung. Abgabe von Salland an Hörige, die nun selbst in den Besitz größerer
Hufen (fruchtbares Herrenland) kommen und als Ministoriale sozialen Aufstieg
erreichen. Es setzen sich Erbleihen und Fixpacht durch. Während im Jahre 1217
für die "Simerer" Banngrundherrschaft 12 Hübner angegeben sind, hat
sich die Zahl im Jahre 1484 auf 25 Häuser (Höfe) erhöht.
- 1590: 69 Haushaltungen - um 1600 40 Häuser - nach
30-jährigem Krieg und Pest (1644) 11 Hausgesäß.
Kennzelle des sich allmählich zum Dorf entwickelten Simeren
war also der befestigte Fron- oder Herrenhof, das heute den Bewohnern als sog.
"Kuhn´sche Hof" bekannte Terrain hinter der ev. Kirche.
Der Hof umfasste ursprünglich das Wohnhaus des Herren bzw.
des Hofverwalters mit den Behausungen der Knechte und Mägde und den
dazugehörigen Wirtschaftsgebäuden sowie einen Garten und eine Wiese (Brühl).
Beim Fronhof lag in der Regel auch die Eigenkirche des Herren. Der
Gesamtbereich des Fronhofes (curtis) war mit einem Zaun eingefriedet.
Um ihn gruppierten sich, oft gleichfalls eingehegt, die
Äcker, Wiesen und Weinberge des Sallandes, die meist, aber nicht immer
geschlossene Komplexe bildeten. Der Herrenhof wurde von einem Villicus (= Meier,
Hofmann) verwaltet, der aus der bäuerlichen Freienschicht rekrutiert war.
Das Herrenland des Fronhofes umfasste 3 Kulturen. Die
landwirtschaftliche Nutzfläche betrug im Jahre 1774 insges. 138 Morgen (ca. 30 ha). Davon waren mehr
als 100 Morgen Ackerland, 2 Morgen Weinbaufläche und soviel Wiesen, dass die
Heuernte lediglich 6-7 Wagen ergab. Der Weinertrag der Restfläche betrug im
Schnitt ca. 1000 l. Waldbesitz gehörte nicht zum Fronhof, sondern lediglich
"ein klein Stück Gewälds, so Büschenbäum" (vermutl. an der Appelbach
entlang). Die Haupteinnahmen durch die Abgabenverpflichtung der Bauern erzielte
der Fronhof durch die Zehntabgabe. Erhoben wurde der Große-, Kleine- und Blut-
Zehnt, wovon bei manchen Abgaben die Hälfte dem Pfarrer zustand. Die Zehntfrucht
(Getreidezehnt) belief sich in den Gemeinden Horbach und Brauweiler auf je 20
Malter, in Weitersborn auf 6-7 Malter und in Simmern u.Dh. auf mehr als 30
Malter. Der Zehntspeicher befand sich bei der Kirche und fasste bis zu 100
Malter.
Dem Fronhof wurde von den Bauern auch der Heuzehnt und der
Trauben- oder Weinzehnt geleistet, der zwischen 3 Ohm und 1 Fuder (ca. 900 l im
Schnitt) betrug.
Der Verwalter des Fronhofes selbst lieferte dem Abt den
jährlichen Pachtzins, der in 17 Malter Getreide und ca. 2 Reichstaler Geld
bestand.
Die Simerer Banngrundherrschaft bestand noch bis ins 15./16.
Jh. in Form der Markgenossenschaft. Erst dann erhielten die Nachbardörfer
eigene Gemarkungen und eigene Gemeindeordnungen.
Mit der Auflösung der Villikationsverfassung gelang es ab
dem Spätmittelalter anderen
Formen der Herrschaft, die einstige Macht der
Grundherrschaft in den Dörfern zu übernehmen. Neben den Grundherren war im
Verlauf des Mittelalters der Vogt getreten, der als weltlicher Schutzherr
anstelle der geistlichen Grundherren die Blutgerichtsbarkeit ausübte. In den
geistlichen Grundherrschaften gewann der Vogt zunehmend größeren Einfluss über
den Personenverband der "Familia". Es kommt zu einer
Machtauseinandersetzung zwischen geistlichem Grundherrn und weltlichem
Vogt (ca.15. Jh.).
Die geistlichen Grundherrschaften waren ursprünglich
Immunitätsbezirke, d.h. der weltlichen Gerichtsbarkeit der Grafengerichte
entzogen. Das bedeutete, dass Friedensbrecher dort Schutz suchen und sich so
der gräflichen Gerichtsbarkeit entziehen konnten.
Seit der karolingischen Reichsreform durch Karl d. Gr. kam
es deshalb zur Schaffung der Vogteien als Institution.
Die geistigen Immunitätsherren wurden verpflichtet, in jeder
Grafschaft, in der sie größeren Besitz hatten, einen Vogt auf Lebenszeit zu
bestellen.
Der Vogt hatte ursprünglich den Herren und die
Immunitätsherren vor dem Grafengericht zu vertreten. Seine Ernennung erfolgte
durch den Immunitätsherrn. Der Vogt war also ursprünglich Rechtsvertreter
(-anwalt des Immunitätsherrn).
Im Hochmittelalter wurde die Vogtei zu einer zentralen
Verfassungsinstitution, änderte dabei jedoch ihren Charakter. Seit der
Ottonenzeit wurden die Vögte selbst Inhaber der Hochgerichtsgewalt und zugleich
Führer des Heerbaumes der geistlichen Herrschaften und somit in der sozialen
Rangstufe des MA den Grafen gleichgestellt.
Mit der Vogteigewalt über die Banngrundherrschaft Simeren
war vom Abt St. Maximin der Wildgraf von Dhaun belehnt, der anders als die
Reichsabtei im entfernten Trier, durch die Standortnähe von nun an ständig auf
Land und Leute dieser Banngrundherrschaft St. Maximin Einfluss nehmen konnte.
Da der Wildgraf selbst nicht ständig auf Dhaun anwesend war
(Verpflichtung zum Heerdienst), hatte er die Vogteigewalt an einen ihm
ergebenen Gefolgsmann (Burgmann auf Dhaun) verliehen. (Zunächst ein gewisser
Cuno als Untervogt; die Untervogtei geht später an Ministerialenfamilien über
und wird erblich.)
Die Einsetzung eines Untervogtes, der Wildgrafen abhängig
war, verdeutlichte bereits den seit dem 13. Jh. zunehmenden Einfluss der
weltlichen Herrschaften innerhalb des Immunitätsbezirks und den
Bedeutungsverlust der Maximinischen Grundherrschaft.
Die Weistümer gewinnen von nun an Bedeutung in Fällen von
Rechtsstreitigkeiten zwischen Vogt und Grundherr. Im Weistum wurde das
unveränderbare Recht durch die "Dinggenossen", die angesehenen Hübner
(Schöffen) gefunden und gewiesen, wie es von ihren Voreltern überliefert war.
Im Prozess um die Ortsherrschaft wurde es von dem Grundherren als gerichtliches
Beweismittel gegen Übergriffe der Vögte verwandt.
Als im 13. Jh. die Territorialisierung durch den Aufbau von
Amtsverfassungen einsetzte (d.h. die
Bildung möglichst zusammenhängender Territorien mit zentraler Verwaltung und
Rechtsprechung), wurde allmählich den Grundherrschaften ihr Machtbereich
entzogen, der im Spätmittelalter nur noch auf die Rentengrundherrschaft
reduziert ist.
Statt der persönlichen Abhängigkeit der Bauern von einem
oder mehreren Grundherren tritt zunehmend der Landesherr in Erscheinung, dem
alle Bewohner eines Dorfes unterstehen. Ausgestattet mit dem Privileg der
Hochgerichtsbarkeit wird der Vogt/Graf anstelle des bisherigen Grundherren zum
eigentlichen Ortsherren. Anstelle der bisherigen grundherrschaftlichen
"Familia" wird gleichzeitig die Dorfgemeinde immer wichtiger. Es
kommt zur Erstellung von Gemeindeordnungen, in denen das Gemeindeleben geregelt
wird und für die Rechtspflege auf unterster Ebene gesorgt ist.
Das Erstarken der Ortsherren bot so den Gemeinden die
Möglichkeit, sich dem Einfluss des Grundherren zu entziehen und sich in den
Schutz eines gemeinsamen Ortsherren zu stellen.
Die Ortsherren versuchen ihrerseits verbleibende
grundherrschaftliche Höfe und deren Bestände in Gemeindeverband zu integrieren
und deren Privilegien zu reduzieren (Ende der freien Bauern). Mit der
Entstehung von Ämtern (Amt Dhaun, Amt Kyrburg, Amt Koppenstein) und durch die
Einführung von Amtsverfassungen konnte der Landesherr nun zunehmend
gemeindeinterne Vorgänge kontrollieren und steuern, womit die Entwicklung zum
neuzeitlichen Obrigkeitsstaat eingeleitet wurde (16. Jh.).
Den Dorfgemeinden blieb eine gewisse Selbstverwaltung
vorbehalten, deren Organisation über Gemeindeämter bzw. gemeindliche
Funktionäre gewährleistet blieb.
Als Vertreter des Ortsherren bzw. des Amtes stand ein
Schultheiß als herrsch. Beamter der Gerichtsgemeinde vor. Der Schultheiß war
Ausführungs- und Kontrollinstanz des Amtes vor Ort, wo er zunehmend
obrigkeitsstaatlichen Einfluss auf die Satzungen der Gemeinde nehmen konnte. Er
hatte zugleich eine Mittlerfunktion zwischen Herrschaft und Gemeinde.
Unsere Dorfgemeinden sind also relativ neue Gebilde, die
sich aus unterschiedlichen Ursprüngen entwickelt haben. Nach dem
Bedeutungsverlust der Grundherrschaften und der "Familia" haben sie
sich vom grundherrschaftlichen Personenverband und der reinen
Siedlungsgemeinschaft zu Dorfgemeinden, die nicht mehr rein wirtschaftliche
Aufgaben (z.B. in Form der Markgenossenschaft), sondern als Bestandteil eines
Amtsverbandes auch politische Aufgaben wahrnahmen.
Der ursprüngliche grundherrschaftliche Siedlungsverband der
"Familia" bestand bis Anfang des 16. Jh.s. Dann spalteten sich die
Siedlungen Horbach und Brauweiler ab. Brauweiler kam unter den Einfluss des
sponheimischen Amtes Koppenstein, Horbach und Martinstein zur Herrschaft
Martinstein.
Zusammenfassung:
Der bis 1971 bestehende Ortsname Simmern unter Dhaun
bezeichnet bekanntlich keine geographischen, sondern verwaltungsrechtliche
Verhältnisse, die bis in das Mittelalter zurückgehen.
Vermutlich schon im Frühmittelalter stand die St.
Maximinische Banngrundherrschaft Simera unter dem Schutz eines Dhauner Grafen,
der vom St. Maximiner Abt mit der Vogteigewalt über diese Grundherrschaft
belehnt war.
Der Rückgang der grundherrschaftlichen Gewalt und die
Entwicklung von Territorialherrschaften durch die Zusammenfassung von zerstreut
liegenden Besitz- und Rechtstiteln zu Verwaltungsbezirken, den Ämtern, führte
dazu, dass die Banngrundherrschaft Simera auch unter die verwaltungsrechtliche
Hoheit des Dhauner Wildgrafen innerhalb des Amtes Dhaun kam.
Der Ortsname Simera wurde zu "Dhaunisch Simeren"
und später zu Simmern unter Dhaun.
Nach dem Ende der Feudalherrschaft und der seit 1798
durchgeführten französischen Verwaltungsreform kam Simmern unter Dhaun zusammen
mit den Nachbargemeinden Brauweiler, Horbach und Martinstein zur Mairie
Monzingen, woraus später die sog. Bürgermeisterei bzw. das Amt Monzingen wurde.
Diesem Gemeindeverband gehörten die Dörfer der ehem. Simerer Banngrundherrschaft
bis zum Jahre 1969 an und wurden ab diesem Datum - mit Ausnahme von Martinstein
- der Verbandsgemeinde Kirn-Land zugeordnet.
Die Bezeichnung Simmern u.Dh. hatte seit dem Ende der
Feudalherrschaft also allenfalls nur noch geographische Bedeutung. Charakteristisch
für die französische Territorialreform war die Bildung von Verwaltungsbezirken,
deren Schaffung sich an natürlichen Grenzläufen wie z.B. Flüssen orientierte.
Die Folge davon war das Auseinanderbrechen bestehender Gemeindeverbände, die
personell wie wirtschaftlich über Jahrhunderte zusammengewachsen waren. Mit der
französischen Verwaltungsreform fand gewissermaßen die wichtigste Veränderung
der mittelalterlichen Gesellschaft ihre Vollendung. Die Entwicklung vom
Personenverbandsstaat zum Flächenstaat der Neuzeit, ohne deshalb gewachsene
Bindungen oder Interessen der Bevölkerung zu berücksichtigen.
Der alte mittelalterliche Personenverband der "Simera
Familia" lässt - wenn man so will - noch Überreste in der heutigen
kirchlichen Organisation erkennen. Noch heute schließt die ev. Kirchengemeinde
Simmern unter Dhaun die ehemaligen Orte der Simerer Banngrundherrschaft ein.